Vor etwas mehr als einem Jahr genehmigte die Landesdirektion Sachsen (LDS) den Ausbau der Königsbrücker Straße (Neustadt-Geflüster vom 17. Mai 2024). Bitter nötig in vielerlei Hinsicht. Ist es doch eine der gefährlichsten Pisten für Radfahrer in der gefährlichsten Stadt Deutschlands für Radfahrer1.
Die Neustädter Initiative „StadtMussAtmen“ sammelte in jüngster Zeit mühevoll mehr als 2.500 beglaubigte Unterschriften und legte diese im Rathaus vor. Ziel: ein Bürgerforum ins Leben rufen, um damit den Dialog zwischen Bürgern und Politik hinsichtlich der Gestaltung der wichtigen Verkehrssachse Dresdens zu erwirken. Das Rathaus reagiert entschieden. Die 2.649 kommen zu spät. Die Initiative will nun juristisch vorgehen.
Das jahrzehntelang debattierte und seit einem Jahr beschlossene Projekt umfasst den Ausbau der Straßenbahnanlagen, die Erweiterung der Straße, die Neugestaltung der Fußwege und Baumbestände auf 1,5 Kilometern. 87,5 Millionen Euro sollen investiert werden. 2029 soll der Ausbau der „Köni“ abgeschlossen sein.
Statt des Ausbaus bringt die Neustädter Initiative „StadtMussAtmen“ eine grundlegende Sanierung der bestehenden Straße ins Spiel. Damit könnten einerseits mehr als 100 Bäume im Bereich zwischen Bischofsweg und Stauffenbergallee erhalten bleiben. Andererseits könnten, so die Initiative, auch Baukosten in Höhe von ca. 30 Millionen Euro eingespart werden. Ob für eine solche Sanierung der Straße jedoch Fördermittel vom Land gezahlt werden, ist fraglich. Aber diesen Aspekt hätte man in dem Forum diskutieren können. „Ein Bürgerforum ist ein Ort, in dem sich Bürger und Stadtrat treffen und über ein konkretes Projekt austauschen. Durch die Anzahl der gesammelten Stimmen haben wir das verdammte Recht auf dieses Bürgerforum erlangt“, poltert Martin Schulte-Wissermann, Stadtrat der Piraten und einer der Sprecher*Innen der Initiative.
Rahmenbedingungen haben sich verändert
Jenny Keck erläutert den Standpunkt und klagt: „Die Rahmenbedingungen auf und entlang der Königsbrücker Straße haben sich in den letzten Jahren radikal verändert.“ Es würden nun viel weniger Autos fahren, dafür aber viel mehr Menschen zu Fuß, mit dem Rad oder den Öffentlichen im Stadtraum unterwegs sein. Der Einsturz der Carolabrücke müsse zu einem grundhaften Nachdenken über den Stadtverkehr führen. „Bäume zu fällen und eine Transitstrecke aus Asphalt zwischen Hechtviertel und Neustadt zu planieren – es wäre eine verkehrliche, fiskale, städtebauliche und klimapolitische Sünde“, so Keck.
Deadlines & Dreaming
Die Rückmeldung aus dem Rathaus fällt entschieden aus, denn die Planungen des Straßen- und Tiefbauamtes seien nach Beschluss der LDS im Vorjahr bereits (viel zu) weit vorangeschritten: „Nach einem ordnungsgemäßen Ablauf sind weitere Einwendungen ausgeschlossen“, heißt es aus dem Rathaus.
Die Initiative ihrerseits sieht wesentliche Bürgerrechte verletzt, will nun juristisch gegen den Beschluss vorgehen. Hierfür wurde André Schollbach (nebenbei Linken-Stadtrat) als Anwalt ins Boot geholt: „Die Bürgerinitiative hat die für das angestrebte Bürgerforum erforderlichen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Die von der Stadtverwaltung vorgetragene Argumentation vermag in rechtlicher Hinsicht nicht zu überzeugen“, bekundet der Jurist im Hole of Fame.
Angesichts des offensichtlichen „Malheurs“, die sich aus der Spannung von gereiftem Planungsstand im Bauamt und (erneut) formuliertem Bürgerbegehren ergibt, reagiert Schulte-Wissermann mit angemessenem Kampfgeist: „Ich war 1998 bei den Fahrraddemos schon hier. Auch nach 27 Jahren glaube ich weiter daran, dass der Stadtrat jeden anrollenden Bagger aufhalten kann. Wir kämpfen also weiter. Und wenn es das letzte ist, was ich tue.“
Bauplanung
Nach den aktuellen Plänen der Stadtverwaltung sollen im September und Oktober 2025 Teile der geplanten Umleitungsstrecken ertüchtigt werden. Das betrifft die Eschen- und die Tannenstraße. Baustart für die Hauptbaustelle auf der Königsbrücker soll dann Mitte Juni 2026 sein, mit der Fertigstellung wird aktuell im Jahr 2029 gerechnet.
- Weitere Informationen unter: Landesdirektion Sachsen
- Rathaus Dresden
- StadtMussAtmen
- Archiv der Berichte zum Ausbau der Königsbrücker Straße im Neustadt-Geflüster unter Hashtag #köbrü
1 Statistik des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs 2023 – Quelle: adfc-dresden.de
Zum Glück abgewiesen. Was hat sich denn verändert, nur das durch die Brücke ein paar weniger Autos fahren? Das wird sich auch wieder ändern und der Verkehr wird durch die neuen Firmenansiedlungen im Norden zu nehmen.
Ist es so schwer, Entscheidungen die getroffen, wurden zu akzeptieren? Man sollte auch akzeptieren, dass man in einer Stadt lebt und nicht im Wald. Es steht auch jeden frei, sich einen Wohnort im Grünen zu suchen.
Ich bin froh darüber das es abgelehnt wurde. Es heißt Neu(Stadt) und nicht Neudorf. 2000 Stimmen sind ja gemessen auf die Einwohnerzahlen auch nicht gerade der Bringer zumal bekannt ist das die Stimmen aus allen möglichen Stadtteilen kommen. Am sinnvollsten wäre die Streckenführung 2 spurig in beide Richtungen zwischen Industriegelände und
Albertplatz anzugleichen. Ab da ist dann bis zum Hauptbahnhof auch wieder 2 spurig…
Gäähn…, öde, immer wieder das gleiche Spiel…jetzt wieder der nächste Versuch. Auch wenn eine Blumenwiese vor der Tür schöner ist, möchte ich doch lieber in einer Stadt leben. Dazu gehören eben auch gute Strassen. Hinterher werden wir alle feststellen, dass es nicht mehr so laut ist, wie das üble Kopfsteinpflaster… kämpft Euch daran ab, dann macht Ihr wenigstens woanders keinen Schaden!!!
Da bin ich anderer Meinung als meine Vorredner: Eine Stadt ist eben keine Straße, auf der Blechlawinen von A nach B rollen.
Eine Stadt ist für die Menschen ein Ort, der durch Lebensqualität überzeugen muss.
Jeder Blick auf Städte, die bedingungslos auf das Auto gesetzt haben, kann einem nur einen Schauer über den Rücken jagen.
Einfach mal einen Blick nach Paris, Stockholm oder Kopenhagen wagen.
Und dann mit Berlin, New York, Tokio vergleichen – klar, das sind Megacitys, aber eben auch mit dem klassischen Problem des Autoverkehrs.
Eine Nord-Süd-Trasse durch die gesamte Stadt ist so unsinnig wie zweifelhaft. Niemandem ist damit ein Gefallen getan.
Autos raus aus der Innenstadt – dann siedeln sich die Menschen auch in der Nähe ihres Arbeitsplatzes an.
Und im Norden ist genügend Platz für Wohnungen für die neuen Fabriken. Da muss man nicht auf der Südhöhe wohnen, um dann über die Nord-Süd-Achse nach Klotzsche-Hellerau zu gelangen.
Der Einsturz der Carolabrücke sollte eigentlich ein Signal für Dresden sein, hier neu zu denken.
Die Brücke wird im besten Fall 2028/29 fertig. Bis dahin haben sich alle arrangiert, die sie täglich nutzen mussten.
Neue Bürger kennen das Problem gar nicht und werden sich danach richten.
Also: Direkt ab dem Industriegelände bis zum Hauptbahnhof die gesamte Achse überdenken!
ÖPNV, Radwege, Feuerwehr, Rettungsdienste, Polizei – Autos nur begrenzt.
Das spart jede Menge Ausbaukosten. Die gesamte Achse wird fürs Wohnen attraktiv, die Nahversorgung wird gestärkt.
Die Ausbaupotenziale sind ja vorhanden – die Waldschlösschenbrücke hat ihre Kapazität noch lange nicht erreicht, auch weil an der Zuwegung gespart wurde.
Das Geld könnte auch endlich für die Planung des Blauen Wunders verwendet werden. Denn hier wird es ebenfalls eng, und diese Brücke lässt sich nicht wirklich sanieren – lediglich den Verfall etwas aufzuhalten ist hier noch machbar.
Also: Ich wünsche viel Glück und hoffe auf Einsicht beim Stadtrat und den Planern.
Grüße Alex
@Alex: Also in den genannten Städten gibt es aber schon sehr große Straßen, die möchte ich persönlich nicht unbedingt in Dresden haben. Von der Einwohnerzahl ist wohl am ehesten Kopenhagen vergleichbar, da sind viele große Straßen, auch durch die Innenstadt. Und was das wohnortnahe Arbeiten (oder umgekehrt) betrifft, dies wird so nicht im großen Stil funktionieren. Finanziell bessergestellte Menschen werden dies höufig nicht wollen und können sich die besseren Wohnviertel leisten, wo dann eben weniger Arbeitsplätze sind. Und viele Menschen, die in der Innenstadt arbeiten, können sich dort keine Wohnung leisten und pendeln deshalb in die Randbezirke. Gibt auch viele Menschen, die Wohneigentum haben und selbst nutzen, die sollen sich dann irgendeinen Job in der Nähe suchen oder zwangsweise ihr Haus/Wohnung verkaufen? Und die Idee, dies durch „angepasste Verkehrswege“ zu erzwingen, wird nicht funktionieren. Sehe ich jeden Morgen auf meinem eigenen Arbeitsweg, bin da seit vielen Jahren unterwegs und der Verkehr hat nachweislich deutlich zugenommen. Kann also noch nicht erkennen, dass sich da das Verhalten der Menschen ändert. Also erreicht eine sehr restriktive Verkehrspolitik letztlich nur, dass die Menschen immer mehr Lebenszeit für die notwendigen Wege von A nach B investieren müssen. Und von den immer gern plakativ formulierten Stadtautobahnen sind wir ganz weit entfernt, bestenfalls haben wir in Dresden Straßen, wo kein Stau ist. Dies hat dann als positiven Nebeneffekt, dass der ÖPNV besser klappt. „Neue Bürger kennen das Problem gar nicht und werden sich danach richten.“, da sollte man doch mal die Bürger fragen, die nach dem 11. September 2024 nach Dresden gekommen sind ;-)